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Spektrum Shake-speare

161 Fundsache Ohne Zweifel ist Shakespeares Pseudonymität neben der Homers die be- merkenswerteste der Weltliteratur. Jedenfalls ist reichlich Anlass gegeben, sie in Erwägung zu ziehen, da über das literarische Schaffen dieses unver- gleichlichen Dramatikers und Dichters so gut wie keine seine Urheberschaft beweisenden Zeugnisse auf die Gegenwart überkommen sind. Und das, ob- wohl seineWirksamkeit in eine Zeit fällt, deren Gegebenheiten keinesfalls in tiefes Dunkel gehüllt sind (war die Kunst des Druckens doch schon einige Jahrzehnte früher erfunden worden), und obwohl die Biographie des aus einfachen Verhältnissen stammenden wilden Burschen, der schließlich als wohlhabender Mann in seinen Heimatort Stratford zurückkehrte, bis auf eine geheimnisvolle Lücke von einigen Jahren oft rekonstruiert worden ist. So erklärt der französische Shakespeare-Biograph Jean Paris: ‹Es gibt Dichter, die größer sind als Shakespeare; es gibt keinen, der größere Rätsel aufgibt.› Edwin Bormann freilich, der geradezu besessen eine Variante der Shakespeare-Deutungen verfochten hat, braucht andere Formulierungen. Für ihn war Shakespeare nicht nur der Mann, ‹den alle Völker einstimmig und neidlos als den größten und vielseitigsten aller Dichter anerkennen, als den besten und edelsten aller Humoristen und Satiriker priesen›, für ihn war auch die Identität ohne Problematik. ‹Der sich hinter dem Pseudonym Wil- liam Shakespeare verborgen hielt, war ein anderer als Francis Bacon›, er- klärt er kategorisch. Aber ebenso kategorisch erklärt Charlton Ogburn in seiner Schrift Der wahre Shakespeare, dass ‹… nur der XVII. Earl of Oxford, jeder hervorra- gende Dichter der Renaissance,Verfasser der Dramen, Sonette und anderen Dichtungen gewesen sein könne, die unter dem Schriftstellernamen ‹William Shakespeare› in die Welt gingen, und daß diese großen Werke, die herrlichs- ten Dichtungen der englischen Literatur, dem Genius eben dieses Edward de Vere zu verdanken seien.› … Es wäre vermessen, an dieser Stelle in irgendeiner Weise in den andau- ernden Streit eingreifen und eine Position beziehen zu wollen, die sich nur auf das gründen könnte, was andere erarbeitet oder auch nur erdacht haben. Diese Vielfalt der Analysen und Hypothesen macht es aber reizvoll, Shakes- peare als Demonstrationsobjekt für die Problematik der Pseudonymität zu benutzen, die einmal mehr offenkundig macht, wie hartnäckig man der Pseu- donymität zu Leibe rückt, sei sie auch nur vermutet oder eben, weil man sie vermutet.

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