Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Spektrum Shake-speare

Schule und Unterricht 117 Tragen kommt, aber von Elena Groß nicht genannt wird. Auch Helen Vend- ler lässt in genialer Weise den Text selber sprechen und klammert, von weni- gen Ausnahmen abgesehen, historische Bezüge aus. Da sie nicht für SuS schreibt, bleibt ihr das Problem der didaktischen Reduktion erspart, so dass sie zu einer komplexeren Deutung kommt, die biographische Bezüge ahnen lässt bzw. voraussetzt: «The self-pity of the opening is based on genuine mis- fortune, if the domestic fiction of the poem is to be believed; we do not doubt that the speaker is outcast …»7 (Hervorhebung von mir). An dieser Stelle peinigt einen die Tatsache, dass man über die Umstände, die zumAusschluss aus der Gemeinschaft führten, nichts weiß – wenn man als Anglistin mit der Gewohnheit, biographische Bezüge prinzipiell auszuschließen, nicht bre- chen will. ZahlreicheVeröffentlichungen über das elisabethanische Zeitalter haben nicht zur Klärung beigetragen. Geht die Verfasserschaftsfrage in Richtung einer Deutung, die plausibel ist? Ja, sie tut es, und zwar so, dass SuS (und auch wir Erwachsene) zu umfassenderen Verständnismöglichkeiten gelan- gen: «Wenn wir das Sonett als das eines dichterisch hoch veranlagten Hof- mannes begreifen, der in ästhetischem Überschwang die Grenzen des höfi- schenVerhaltenskodexes überschritten hat und, zumindest zeitweilig, ausge- stoßen wurde, kommen wir nicht nur dem Drama des Gedichts, sondern vielleicht auch dem Drama des Dichters ein Stück näher. Wenn wir anneh- men, dass dieser Hofmann Edward deVere ist, gar noch ein Stück näher.»8 Es gilt, sich zu verdeutlichen, was eine Biographie vermag und was nicht. Hans- Albrecht Koch hat in seiner Rezension einer Biographie der Brüder Grimm in der FAZ vom 10. März 2010 Biographie so bestimmt: «Es gehört zu den Merkwürdigkeiten der Literaturwissenschaft, dass zünftige Germanisten über einen vermeintlichen Biographismus umso mehr die Nase rümpfen, je erfolgreicher das Genre der Lebensbeschreibung wird. Dabei wird unter- schlagen, dass die Biographie eines Autors zwar keine hinreichende, jedoch eine notwendige Bedingung zum Verständnis seines Werkes ist.» (Hervorhe- bung von mir.) Am Ende dieses Essays soll der Versuch unternommen werden, wissen- 7 Vendler S. 163. 8 Detobel, Robert: Will, Wunsch und Wirklichkeit, Verlag Uwe Laugwitz, Buch- holz 2010, S. 84.

Seitenübersicht