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Spektrum Shake-speare

Hintergrund 151 Leben?Wie ‹lebt› ein Geist? Ist das Gespenst nun ein Seinszustand oder nicht? Alles dreht sich um die Bedeutung der Wörter sein und scheinen. Ihre fundamentale Bedeutung wird unterminiert: Der Geist ist eine Er- scheinung; als etwas Scheinbares behauptet er eine eigene Realität. Um- gekehrt scheint der Hof nur etwas zu sein, was er in der Tat gar nicht ist. Dieses Thema wird schon im Gespräch mit der Mutter angeschlagen, als Hamlet sich zur Trauerkleidung äußert. Die Kleidung, so argumentiert Hamlet, sei bloß das Zeichen der Trauer, nicht die Trauer selbst. Wenn er die Kleidung auszöge, hieße das nicht, dass er nicht mehr trauere. Aber am Hof hält man das Zeichen für die Sache selbst, aufrichtige Ge- fühle und bloße Anzeichen für Gefühle werden nicht unterschieden.3 Und nun soll umgekehrt das Zeichen Geist die Sache selbst sein, näm- lich Hamlets Vater. 4. Hamlet trauert noch um seinen verstorbenen Vater. In dieser Stimmung bringt eine Geistererscheinung sein Weltbild aus dem Lot. Man möchte meinen, die Wiederbegegnung mit seinem Vater als Geist müsste den jungen Mann in seiner Niedergeschlagenheit zuversichtlich stimmen oder gar begeistern. Es ist auch nicht die Tatsache, dass er ein Gespenst sieht und reden hört, die ihn so sehr aufwühlt, sondern vielmehr das, was ihm das Gespenst mitteilt. Die Botschaft lautet: So wie Hamlet seine Welt – den Hof von Elsinore (Helsingör) – wahrnimmt, ist sie falsch. Der wahre Geist und die falsche Welt: Der Prinz soll seiner faktischen Le- benswelt von nun an misstrauen und zugleich den Worten des Geistes trauen, einem unkörperlichen Spukwesen, das verschwindet, wenn Hamlet es zu berühren versucht. 5. Aus der Welt des geisterhaften Scheins erfährt Hamlet die angebliche Wahrheit über seine Wirklichkeit. Mit den Mitteln des theatralischen Scheins, einer Theateraufführung, will er nunAufklärung über den wah- ren Sachverhalt der Ereignisse am Hof herbeiführen. Schein soll mit Schein erklärt werden. Der Schein des Theaters kann sich gar nicht klar gegen ein Sein abgrenzen, weil dieses durch die Geistererscheinung be- reits in Frage gestellt ist. Hamlets Entscheidung hängt von einer äußerst 3 Andreas Mahler, Maske und Erkenntnis. Funktionen karnevalesker Identität bei Shakespeare, in: Elfi Bettinger und Julika Funk (Hrsg.), Maskeraden. Ge- schlechterdifferenz in der literarischen Inszenierung, Berlin 1995, S. 129.

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