Please activate JavaScript!
Please install Adobe Flash Player, click here for download

Spektrum Shake-speare

Schule und Unterricht 115 brauchbaren Ergebnissen führte und der Erhabenheit, Aktualität und Tiefe der Werke nichts wegnahm. Das Argument ist andererseits auch verführe- risch, weil es, wie zu beweisen sein wird, vor neuen, besseren Verständnis- möglichkeiten die Türe zuschlägt. Dem Argument haftet auch etwas Skurri- les an: Kaum jemand hält die Stringenz dieser Gedankenführung durch. Nicht Harold Bloom, der als eingefleischter Stratfordianer die These auf- stellt, Hamlet und Falstaff seien Shakespeares biographischste Figuren1 ; nicht Helen Vendler, die vorzüglichste Sonettinterpretin, die vom sozialen Ausgestoßensein als Thema des Sonetts 71 spricht, ohne dies an irgendetwas Konkretes anzubinden2 ; wann immer möglich, man greift auf Erlebnismög- lichkeiten zurück. Man befindet sich in einer ähnlichen Lage wie ein Fluss in einem Betonbett: Jede kleinste Ritze wird genutzt, um den eigenen Drang nachAusbreitung ausleben zu dürfen. So scheint es, als ob man ständig gegen das eigene Prinzip verstoßen möchte, ohne sich dessen bewusst zu sein. Fluchtweg Nr. 2: Die «elisabethanische Weltanschauung» anstelle der kon- kreten Biographie. Generationen von Schülerinnen und Schülern sind damit vertraut gemacht worden. Nicht, dass diese falsch wäre, aber sie hilft bei der Erklärung derWerke (Ausnahme: Macbeth) nur wenig und ignoriert die Ein- zelheiten der historische Wirklichkeit hin bis zur Schmerzgrenze. Welch komplex aufgebauter Polizeistaat das England unter Elizabeth I war, wie unsicher ihr Thron war, wie ihre Position und die Aristokratie angefeindet und attackiert wurden, das Selbstverständnis Aristokratie – alles das wird ausgeblendet.3 Die Schulbuchverlage reagieren darauf sehr zögerlich. Greenline Ober- stufe aus dem Klett-Verlag z. B. hat sich des Problems ein wenig angenom- men und einen aufschlussreichen und für Schüler ansprechenden Teil zu Shakespeares umfassenden Sprachkenntnissen eingefügt. Dass dann trotz- dem die Biographie des Stratforders – neben anderen genannten Kandida- ten – aufgeführt wird, stört bei den oben genannten Denkgewohnheiten nicht, obwohl es tatsächlich gar nicht dazupasst. 1 Bloom, Harold: Shakespeare. The Invention of the Human. New York 1998, S. 403. 2 Vendler, Helen: The Art of Shakespeare’s Sonnets. Harvard University Press 1999, S. 328. 3 Siehe Detobels Aufsatz zum elisabethanischen Zeitalter in dieser Ausgabe.

Seitenübersicht